Podiumsdiskussion in der Liebfrauenkirche – eine Zusammenfassung: „In was für einer Stadt wollen wir Leben?“

Am Abend des 11. Juli 2017 ging es bei der Podiumsdiskussion der Initiative „Ja zu Duisburg“ einmal mehr um die Frage: „Braucht Duisburg ein DOC?“ Dazu hatten die Initiatoren Experten aus den Bereichen Stadtforschung, Planung, Geographie, Stadtentwicklung, Immobilienwirtschaft, Standortanalyse, Baukultur, Wirtschaft, Handel und Soziales in die Liebfrauenkirche eingeladen.

Begrüßung zur Diskussion: Initiative sorgt für Transparenz

In seiner Begrüßung betonte der Sprecher der Initiative, Frank Oberpichler, dass es wichtig sei, Transparenz in die kontroverse Diskussion zu bringen. Dafür sei es auch notwendig, dass neben den zum Teil neutralen Experten sowie Gegnern auch Befürworter auf dem Podium säßen – die jedoch leider absagen ließen.

Man könne der Veranstaltung keine Einseitigkeit vorwerfen, so Oberpichler. Kritik ging in Richtung Großkoalition des Stadtrates, die das Projekt weiterhin befürworte, ohne auch nur eine fundierte Aussage zu treffen, warum das DOC eine Chance sei. Eine transparente Diskussion mit Experten sei notwendig, damit sich der Wähler ein Bild machen könne. Dem Versprechen sei man bei der Stadt bisher nicht nachgekommen.

Umso mehr freue man sich, mit Mario Mais einen Moderator vorstellen zu dürfen, dessen persönliche Meinung eher für das DOC spreche, sagt Oberpichler. So ließen auch kritische Fragen und Anmerkungen des Moderators nicht lange auf sich warten.

Die Meinungen im Publikum waren geteilt. Das ergab eine kurze Umfrage des Moderators zu Beginn der Veranstaltung. Unter den ca. 160 Personen im Publikum gab es Zuschauer, die noch unentschlossen waren aber auch solche, die das DOC begrüßen würden. Etwas mehr als die Hälfte aller Zuschauer sprach sich allerdings gegen das DOC aus.

Einleitendes Impulsreferat: „Grundstück ist wie Messerspitze“

Den kompletten Vortrag finden Sie am Ende des Beitrags zur Ansicht.

Zu Beginn sprach Moderator Mario Mais über die Hintergründe und die Geschichte des Grundstücks des Alten Güterbahnhofs. Impulsgeber und spezifische Details zu Gelände, Kaufkraftkennzahlen etc. gab es in einem kurzen Vortrag von Dipl.-Ing. Rolf Junker von Junker + Kruse. Junker und Kruse berät Kommunen, Länder, Bund und Institutionen bei der Konzeption einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung. Seit 30 Jahren betreibt er Stadtentwicklung mit dem Schwerpunkt Handel. Er betonte, dass er die Duisburger Innenstadt sehr gut kenne und dass das DOC auf dem Alten Güterbahnhof ein sehr spezielles Vorhaben sei.

Das Grundstück, so Junker, sei südlich der Innenstadt „wie eine Messerspitze“ gelegen, lediglich mit einem sogenannten Ein-Punkt-Kontakt an der nördlichen Seite zur Stadtmitte hin angrenzend.

Junker: „Brauch ich ein Dorf in der Stadt?“

Seit drei bis vier Jahren gebe es eine Verkaufsflächensättigung, was zur Folge habe, dass durch jede neue Fläche alte Verkaufsflächen in die Knie gezwungen werden. Auch der Internethandel fresse Fläche. Aufmerksam machte Junker in seinem Vortrag nochmals auf die Begrifflichkeit „Villagestil“ („Village“ engl. für „Dorf“): „Brauch ich ein Dorf in der Stadt?“

Junker: „Design-Outlet-Center kein feststehender Begriff“

In seinem Vortrag wies er darauf hin, dass in einem Outlet durchschnittlich nur 15 Prozent hochwertige Marken angeboten werden, der Rest beliefe sich auf hochwertigen Standard. Was letztlich in ein Outletcenter hineinkäme, sei komplett offen, da Design-Outlet-Center kein feststehender Handelsbegriff sei. Referent Prof. Dr. Hans Heinrich Blotevogel ergänzte zu einem späteren Zeitpunkt der Diskussion, dass erst jüngst in einem österreichischen DOC ein H&M eingezogen sei. Aus dem Antrag, der der Beschlussvorlage vom 1.2.2017 vorliegt sei nur die Rede von „Markenware“, nicht von „hochwertiger Designermode“, sagte eine Besucherin. Besonders beunruhige, so eine andere Wortmeldung, dass die Beschreibung der angebotenen Waren im Beschluss auch „sonstige Sortimente“ umfasse. Dies könne alles sein.

Junker: „Entfernung zwischen DOC und Innenstadt zu groß“

Kritisch sieht Junker, dass durch die Schaffung 3.000 kostenloser Stellplätze ein neuer Anfahrtspunkt Duisburgs geschaffen werde. Dies verlagere den Eingang der Stadt hin zum Outletcenter. Zudem müsse für das DOC eine Ausweitung der zentralen Versorgungsbereiche umgesetzt werden, dies sei planungsrechtliche Voraussetzung.

Mit dem Bau eines DOC käme es zu einem 30 prozentigen Flächenzuwachs der Innenstadt. Durch die Autarkie eines solchen Großprojekts verselbstständige sich das Center in der solitären Standortrandlage. Erfahrungsgemäß, so Junker, sei der Einkäufer „distanzempfindlich“ und würde nach 1.200 m bereits „schlapp machen“. Die Entfernung zwischen DOC und Innenstadt sei demnach zu groß.

In der Diskussion um eine mögliche Anbindung hieß es, dass es kein Vorbild in anderen Städten gebe, in denen das funktioniert. Am Beispiel des Centros wurde deutlich gemacht, dass eine Bus- und Bahnlinie vom Center zur Innenstadt eher für den Transport zum Centro genutzt werde als andersherum. Der Zweck des Baus war ebenfalls eine Anbindung an die Innenstadt zu schaffen. Was aus der Oberhausener Innenstadt geworden ist, drohe auch Duisburg im Falle des DOC-Baus. Eine Verschiebung der Besucherströme in ein solches Center, die Frequenzreduzierung in der Innenstadt sowie eine Reduzierung der Lokalmieten und somit eine Abwertung der Immobilien gingen als Ergebnisse verschiedener Forschungsinstitute bei ähnlichen Projekten hervor, so Junker.

Im Anschluss an den Impulsvortrag gab jeder Referent ein kurzes Statement auf die Frage des Moderators, ob Duisburg ein DOC benötige oder nicht:

Axel Quester ist Experte für Vermarktungsbetreuung von Neubauvorhaben, Vermittlung von Einzelhandelsflächen und Grundstücken sowie Bewertung, Standortanalyse und Marktkonzepte für Gewerbe- und Anlagenimmobilien. Er sagt deutlich: „Duisburg braucht weder ein DOC noch ein Möbelhaus.“

Dr. Hanna Hinrichs, Projektmanagerin von StadtBauKultur NRW wollte eher einen neutralen Beitrag zur Diskussion leisten. StadtBauKultur NRW setzt sich für eine lebenswerte, nachhaltige und qualitätvoll gestaltete bauliche Umwelt in Nordrhein-Westfalen ein. Ihre Aufgabe besteht darin, bei Bürgern und Bürgerinnen, Bauherren, Fachleuten und Kommunen das Bewusstsein und das Engagement für Baukultur zu stärken sowie die Qualität und Innovation in der baukulturellen Praxis zu fördern. Hinrichs betonte: „Man muss sich in erster Linie um die Innenstadt kümmern. Was für eine Vorstellung haben wir von der Innenstadt? Wie wollen wir leben?“

Boris Roskothen, Einzelhändler und Vertreter der Wirtschaft, antwortete: „Wir brauchen keinen neuen großflächigen Einzelhandel. Wir müssen mit Herrn Krieger eine neue Lösung finden. Das DOC auf der Fläche wäre ein Dolchstoß für die Innenstadt.“

Prof. Dr. Hans Heinrich Blotevogel lehrte u.a. an der Universität Duisburg-Essen Wirtschafts- und Sozialgeographie sowie Raumordnung und Landesplanung an der TU Dortmund. Er sagte: „Ich bin entsetzt, mit welcher Leichtfertigkeit die Großkoalition auf dieses Trojanische Pferd setzt. Stadtplanung ist Gesellschaftspolitik. Es muss in der Stadtentwicklung eine Nutzungsmischung geben. Ein monofunktionales Projekt wie das DOC ist Stadtplanung von vorgestern.“

Thomas Keuer, Bezirksgeschäftsführer Verdi Duisburg-Niederrhein sagte: „Durch das DOC entstehen größtenteils Billigarbeitsplätze, Betriebe in der Innenstadt müssen wahrscheinlich sogar schließen, dadurch gehen insbesondere festbezahlte Kräfte in der Innenstadt verloren.“

Diskussion mit Publikum

Befürworter im Publikum gab es auch. So argumentierte ein Duisburger, er könne keinen hochwertigen Anzug in Duisburg kaufen. Gegenfragen kamen direkt: Man solle überlegen, warum der hochwertige Armani-Anzug in Duisburg nicht gut gelaufen sei. Müsse man überhaupt in jeder Stadt alles bekommen?

Hanna Hinrichs fügte hinzu, dass man die Stadt Duisburg nicht als einzelne Stadt beurteilen sollte. Duisburg sei ein Teil vom Ruhrgebiet. Nicht jede Stadt müsse alles aufzuweisen haben in diesem engen Geflecht. Es ginge darum, wie man sich gegenseitig unterstützen und ergänzen könne. Der Rückbau von Einzelhandelsflächen müsse gestärkt und in eine andere Nutzung überführt werden.

Entgegen aller Kritik, die Investitionsbereitschaft in Duisburg sei gering, sagte Axel Quester: „Die Investitionsbereitschaft in Duisburg ist derzeit hoch“. Dies sei aber bezogen auf den Bereich Büros und Wohnen, weniger auf den Handel. Er selbst betreut derzeit einen Investor für das ehemalige C&A-Gebäude in der Duisburger Altstadt.

Was schenkt Herr Krieger uns?

Nach einer regen Diskussion wies Frank Oberpichler, der Sprecher der Initiative, auf die anscheinend gängige Praxis von Investoren hin, sogenannte „Baugeschenke“ zu machen. Dies sehe man insbesondere am Beispiel des geplanten Möbelhauses in Berlin-Pankow, wo als „Baugeschenk“ und zur Wohlstimmung der Bürger eine Grundschule durch den Möbelhausbetreiber gebaut werden soll.

Abschließend stellte Oberpichler noch eine provokante Frage:

„Wie lässt sich Duisburg kaufen? Mit einer Turnhalle?“

Hier finden Sie den kompletten Vortrag von Dipl.-Ing. Rolf Junker:

Duisburg_DOC_Podiumsdiskussion_11-07-2017

Quelle: Rolf Junker, Junker + Kruse

3 Kommentare

  • Claudia Leiße

    Gab es am Ende der Veranstaltung noch einmal eine Umfrage zur Haltung des Publikums? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

  • Sipahi

    Also;
    Es wurden von jemandem Orientierung.
    Duisburg Braucht;
    Zum ersten,kultivierten Kandidaten von alle Parteien.
    Zum Zweiten,die Kandidaten haben ein Manschaften haben(von A bis Z).
    Von Bauen bis Schule.
    Zum dritten,Duisburg braucht Tempo.Bitte gucken Sie Unsere Nachbarn Städten wie Oberhausen.
    Es gibt viele andere gründe.
    Aber,ich sagt nur eins,
    OB Posten ein Nummer gros für Allle Kandidaten.
    Seit 36 Jahre lebe ich in Duisburg und auch seit 1994 mache ich Kommenalpolitik.So Unerfahren und UnErfolg OB gesehen.
    Wirklich Duisburg Braucht Wechseln.

    Sipahi

    Mitglieder der Integrationsrat des Stadt Duisburg

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